Das Leben in früheren Zeiten auf dem Lande

Wenn man an das Leben unserer Vorfahren auf dem Dorf denkt, dann sieht man in erster Linie die bäuerliche Bevölkerung vor sich. Bauern bewirtschafteten als Hörige einer Grundherrschaft den Boden; sie waren hier keine Leibeigenen, aber sie hatten Abgaben zu leisten und Frondienste (Herrendienste) zu verrichten: Straßen- Schloss-, Brückenbau, Botengänge, mehrere Arbeitstage auf den Feldern und Meierhöfen sowie im Wald der Herren). In Schenklengsfeld dienten sie seit dem Ende des 9. Jahrhunderts dem Abt des Klosters Hersfeld und häufig noch weiteren Adligen aus der Buchonischen Ritterschaft wie den Herren von Mansbach, Romrod, Trümbach, Buchenau. Von 1525 an hatte der Hessische Landgraf und spätere Kurfürst von Hessen-Kassel das Territorium des Klosters Hersfeld zur Hälfte an sich gebracht, ab 1648 wurde es ihm nach Auflösung des Klosters ganz zugesprochen.
Die Verwaltung und Rechtsprechung vor Ort hatten im Auftrag des Klosters zunächst ein Adliger auf der Burg Landeck inne, der zugleich das Amt des Schenkens ausübte (er verwaltete auch die Güter des Klosters in Hersfeld). Nach 1500 wurde dort ein Amtmann eingesetzt, der nach der Zerstörung der Burg Landeck durch die Bauern im Bauernkrieg 1525 zuletzt im Amtshaus wohnte und seit Menschengedenken unter der Linde mit seinen Schöffen aus dem Ort zu Gericht saß.
Die Söhne und Töchter der Bauern erbten meistens das Land zu gleichen Teilen, das heißt, es kam zu häufigen Erbteilungen, die den Besitz für die einzelne Familie immer kleiner werden ließen. Es kam aber auch vor, dass der älteste Sohn der Erbe wurde, die Brüder auf dem Hof als Knechte weiterlebten, und die Töchter bei Verheiratung mit einer Erbschaft ausgezahlt wurden. Die Eltern sorgten bei den Hochzeiten ihrer Kinder dafür, dass wieder Land hinzukam. Es war deshalb nur ganz selten der Fall, dass Bauernsöhne Töchter von Handwerkern heirateten und umgekehrt. Erst im 18. und 19. Jahrhundert lockerte sich dies.
Schon sehr früh bildete sich im Mittelalter eine große Zahl spezieller Handwerker auf dem Dorf heran, die den städtischen Handwerkern wegen der Konkurrenz oft ein Dorn im Auge waren, die sich aber vehement gegen eine Kontrolle durch die städtischen Zünfte wehrten und in unserer Gegend auch erfolgreich behaupteten. Diese Handwerker waren, ähnlich wie die Bauern, eine ständische Gruppe für sich. Sie hatten jedoch, was Berufswahl und Heirat betrifft, ein wenig mehr Spielraum als jene. Die Söhne von Handwerkern konnten den Beruf des Vaters erlernen, sie konnten aber auch ein anderes Handwerk ausüben. Manchmal bestimmte schon die Wahl des Paten, der meist ein Handwerker war, über den Beruf seines Patenkindes, denn er nahm den Betreffenden nach der Schulzeit zu sich in die Lehre. Und die Töchter mussten umgekehrt auch wieder einen aus ihrem Stand heiraten, es war jedoch egal, um welch spezielles Handwerk es sich handelte.

Auf einer Stufe mit den Handwerkern befanden sich noch weitere nicht-bäuerliche Berufe. Diese standen den Handwerkersöhnen auch für Berufswahl und Heirat offen.
So konnte eine Handwerkerfamilie eine Mühle oder einen Meierhof beim Grundherrn pachten. Beim Tod des Pächters fielen sie an den Herrn zurück, der sie meistbietend neu vergab. Erst im 18. Jahrhundert konnten die Mühlen vererbt werden. Deshalb kam es im 16. und 17. Jahrhundert häufig vor, dass der Name einer Müllerfamilie mal in dieser, mal in jener Mühle des Dorfes auftaucht, je nachdem, für welche der Mühlen der Sohn des verstorbenen Müllers den Zuschlag bekam. In jedem Fall mussten Müller tüchtige Handwerker sein (meistens Zimmerleute oder Schlosser), denn das komplizierte Mahlwerk musste ständig fachkundig überwacht und gewartet werden. Manchmal betrieben Müller neben der Mahlmühle auch ein kleines Sägewerk.
Zusätzlich konnten sich Handwerker auch als Wirte um die Schankrechte für das dörfliche Brauhaus bemühen, auch diese wurden mal dieser und mal jener Familie verliehen.

Bader und Dorflehrer kamen zunächst auch aus dem Handwerk und standen sozial mit ihm auf einer Stufe. (Häufig waren Schneider auch Lehrer, weil sie wohl die nötige Geduld für die Kinder hatten.) Handwerker waren auf dem Dorf aber auch die ersten, die ihre Söhne zum Studium schickten und ihnen dann einen sozialen Aufstieg ermöglichten. Wahrscheinlich waren sie durch ihre Wanderschaft während der Gesellenzeit allem Neuen gegenüber aufgeschlossener als die bäuerliche Bevölkerung, die sehr stark ihrem traditionellen Leben verwurzelt blieb.
Diese berufliche und ständische Gliederung blieb in Hessen bis etwa 1830 erhalten. Danach wurde der Berufs- und Gewerbezwang aufgehoben, und jeder konnte theoretisch den Beruf wählen, den er wollte.

Schenklengsfelderinnen bei der Kartoffelernte – von links: Luise Gwilka (Rehbein), Martha Rehbein, Grete Rehbein, Anna Both, Katharina Sippel,
Die Kartoffelernte begann früher im Herbst. Dabei durfte es weder zu nass noch zu kalt sein. Mithilfe eines Kartoffelroders wurden die in erhöhten Dämmen gepflanzten Knollen ausgepflügt. Das Lesen der Früchte war häufig die Arbeit von Frauen und Kindern.