Kriegsbeginn, Probleme der Landwirtschaft 1914 und 1922
Ein älterer Landwirt erinnert sich.
Die Mobilmachung Deutschlands erfolgte am 2. August 1914. Alle aktiven Soldaten und Reservisten meldeten sich bei ihren Dienststellen. Der Landsturm und die Landwehr, Männer bis zu 45 Jahren, wurden aktiviert. Nur die im Bergbau, in der Landwirtschaft und in kriegswichtigen Betrieben Tätigen wurden „reklamiert“. Alle, die noch nicht gedient hatten, wurden einer erneuten strengen Musterung unterzogen, und viele von ihnen mussten daraufhin einrücken. Schon im Frühjahr 1915 machte sich durch den Krieg eine Teuerung im Alltag bemerkbar. Ab 15. Februar wurden jeder Person 18 Pfund Korn für einen Monat zugeteilt, was pro Kopf und Tag ½ Pfund Brot ergab. Die Preise für das Schlachtvieh zogen an, und es wurden für den Zentner Schlachtgewicht 110,- bis 120-Mark gezahlt. Die Eier wurden mit 10 bis 15 Pfennigen pro Stück gehandelt.
Das Jahr 1915 hatte einen so trockenen Sommer, dass die Dickwurzpflanzen mit Wasser gesetzt werden mussten. Durch die „Mistgeize“ gingen viele Pflanzen ein und mussten zum Teil zwei- oder dreimal nachgesetzt werden. Das gesamte Heu konnte – dank der unermüdlichen Sonne – innerhalb von 8 Tagen eingebracht werden. Kurz vor dem Kornschneiden regnete es zwar ein paarmal, aber es blieb doch weiterhin trocken. Gerste und Hafer blieben im Wuchs so zurück, dass sie zur Ernte nicht geschnitten werden konnten sondern gerupft werden mussten. Als das Getreide dann aber zum Trocknen ausgebreitet war, regnete es so, dass die Bauern die Frucht kaum einbringen konnten. Die Kartoffelernte fiel im Herbst dieses Jahres gut aus. Es konnten viele Kartoffeln verkauft werden, die pro Zentner 3,50 bis 4 Mark erbrachten. Im November kam es überraschend zu einer strengen Kälte, so dass Tausende von Zentnern Kartoffeln während des Eisenbahntransportes erfroren sind. Im Frühjahr 1916 trat hierdurch ein spürbarer Mangel ein.
Im zweiten Kriegsjahr kam es wiederum zu einer Teuerung. Für das Lebendgewicht des Rindviehs wurden pro Zentner 80 bis 110 Mark gezahlt, für das Pfund Butter 1,80 bis 2,20 Mark, und die Eier berechnete man mit 20 bis 25 Pfennig pro Stück. Für Personen, die kein Korn hatten, wurden Brotmarken ausgegeben. Diese Marken galten jeweils für 14 Tage und mussten dann beim Ortsvorsteher durch neue ersetzt werden. Auch Mahlkarten für das Korn wurden eingeführt, auf denen der Müller genau vermerkte, wieviel Korn angeliefert worden war und welche Menge Mehl er dafür ausgeliefert hatte. Die Polizei führte sogar in den Bauernhäusern Kontrollen durch, ob die Leute nicht evtl. Korn zurückbehalten hatten. Wenn dies der Fall war, wurde es beschlagnahmt und eine empfindliche Strafe verhängt.
Landwirtschaftliche Erzeugnisse, die über der erlaubten Pro-Kopf-Menge lagen, mussten abgeliefert werden und wurden wie folgt angerechnet: Korn mit 12,- Mark, Hafer mit 15,- Mark und Kartoffeln mit 5,- Mark je Zentner. Da die Kartoffeln sehr knapp waren, wurden auch diese Bestände in den Kellern kontrolliert, denn pro Person durften nur 2 Pfund (gerechnet für einen Tag) behalten werden.
Das Wetter im Jahre 1916 war zufriedenstellend, so dass es zu einer guten Gerste- und Haferernte kam. Auch das Korn stand sehr gut, war aber stellenweise voller Vogelwicken. Aber die Kartoffelernte fiel nicht zum Besten aus, so dass es erneut zu strengen Kontrollen kam. Die Rationierung ging so weit, dass im Herbst für jede Person nur noch 1 ½ Pfund täglich gerechnet wurde.
Im Frühjahr 1917 wurde die Verbrauchermenge für die Erzeuger auf 1 Pfund beschränkt. Alle anderen durften sogar nur ¾ Pfund Kartoffeln pro Tag verzehren. In diesem dritten Jahr des Krieges stieg der Butterpreis auf 2,20 bis 2,80 Mark für ein Pfund, und die Eier kosteten 25 bis 32 Pfennige. Für ein Pfund Kaffee musste man 4,- Mark bezahlen, ein Pfund Seife kostete 2,- Mark und Pfeffer 20,- Mark das Pfund. Einen Hering erhielt man für 40 Pfennige, ein Lot Garn wurde mit 60 Pfennigen berechnet, ein Anzug kostete 60- bis 80 – Mark, Kleiderstoff 8,- bis 10,- Mark und Bettzeug 3,- Mark pro Meter. Außerdem benötigte jeder für Stoffe und Webwaren einen Bezugsschein. Ein Paar Schuhe kostete 25,- bis 30,- Mark. Im April 1917 kam es zu erneuten Kontrollen durch die Gendarmerie. Auch für die Erzeuger wurden nur noch 3/4 Pfund Kartoffeln pro Person und Tag bewilligt. Das Korn wurde durch die Polizei ebenfalls kontrolliert und die Zuteilung von 18 auf 13 Pfund pro Monat gesenkt. Viele arme Leute, die keine eigenen Kartoffeln anbauen konnten, mussten sie bei denen, die noch welche übrig hatten, für bares Geld teuer kaufen.
1917 war ein Jahr mit mittlerem Ernteertrag. Das Korn war nicht zum Besten ausgefallen, die Gerste zwar besser, aber die Haferernte fiel sehr schlecht aus, denn es war fast alles auf den Acker gefallen. Für die abgelieferten Erzeugnisse wurden in diesem Jahr gezahlt: Korn 14,- Mark, Hafer 20,- Mark und Kartoffeln 6-Mark pro Zentner. Da es in diesem Herbst eine reichliche Kartoffelernte gab, konnte der Verbrauch wieder auf 1 Pfund für Nichterzeuger heraufgesetzt werden. Die Zuteilung an Korn, das zu 94% ausgemahlen wurde, betrug pro Kopf 17 Pfund für den Monat. Im Frühjahr 1918 wurden die Bauern dazu angehalten, Schweine zu mästen. Alle, die schon im Herbst 1917 Schweine gekauft hatten, mussten sie im Januar 1918 wieder abgeben. Im März und April sollten diese Leute wiederum Schweine anschaffen. Für ein Ferkel von 6 -8 Wochen mussten sie 160,- bis 200,- Mark bezahlen. Alle Produkte wurden erneut teurer, aber es gab kaum noch etwas zu kaufen.
Preisentwicklung und Ernten in der Nachkriegszeit
Am 11. November 1918 kam es dann endlich zu dem von vielen ersehnten Waffenstillstand, der für Deutschland allerdings schmachvolle Bedingungen brachte. Unsere hungernden Soldaten kamen von allen Fronten in die Heimat zurück. Auch in Raum Hersfeld kam es zu Einquartierungen der durchziehenden Truppen. Wir hatten ebenfalls vier Wochen lang unser Haus mit Soldaten zu teilen.
Auch nach Kriegsende stiegen die Preise weiter, und es gab nicht genug zu essen. 1919 verdiente ein Arbeiter 24,- bis 30,- Mark am Tag, bei 8 Stunden Arbeitszeit. Kleiderstoffe, falls überhaupt zu erhalten, stiegen praktisch täglich im Preis. Ein Anzug wurde mit 400,- bis 500,- Mark gehandelt. Eine Kuh kostete 1000,- bis 2000- Mark und das Pfund Fleisch 4- bis 5 – Mark. 1920 stieg zwar der Arbeitslohn der Arbeiter an (30,-, 40,- und 50,- Mark für 8 Stunden), aber die Warenpreise stiegen noch schneller. Für bestimmte Produkte wurden wahre Wucherpreise gezahlt. Wer Eier oder Butter erübrigen und sie heimlich verkaufen konnte, erzielte einen guten Preis (für das Pfund Butter 9,- bis 14,- Mark). Speck wurde mit 10,- bis 15,- Mark gehandelt, Erbsen und Linsen für 1,- Mark pro Pfund. Wer in der Stadt etwas kaufen wollte, musste Tauschwaren mitbringen, sonst erhielt er überhaupt nichts. Die meisten Leute gingen in Holzschuhen (das Paar zu 14,- bis 20,- Mark), da das Paar Lederschuhe mit 40,- bis 80,-Mark bezahlt werden musste. Tabak wurde zum Luxusartikel, denn für ein Pfund musste man 12,- bis 18,-Mark zahlen. Eine Zigarre kostete 25 bis 50 Pfennige, aber meistens war gar nichts zum Rauchen zu bekommen. Auch Kleiderstoffe und andere Tuchwaren waren aus dem Handel verschwunden.
1921 stiegen die Preise erneut, so dass ein Ei 1,50 bis 2,50 Mark kostete. Das Pfund Fleisch wurde mit 12,-bis 15,- Mark gehandelt und ein Anzug für 800,- bis 1300,- Mark. Der Preis für eine Kuh betrug nunmehr 5000- bis 10 000- Mark. Auch das Getreide wurde sehr teuer. Für einen Zentner Korn bezahlte man 75-bis 100 – Mark, für Weizen 150 – bis 200 – Mark, ebenso für Hafer. Für das Schlachtvieh erzielte man pro Zentner Lebendgewicht 500,- bis 650,- Mark, während Ferkel 500,- bis 600,- Mark kosteten.
Die Ernte 1921 war sehr gering, denn es hatte wenig geregnet. Das Heu war sehr dürftig, und Grummet gab es auch sehr wenig. Die meisten Leute hatten gar keines. Kartoffeln wurden auch sehr wenige geerntet, so dass der Preis auf 100,- bis 120,- Mark pro Zentner anstieg. Es wurde viel Stroh gekauft, der Zentner für 40,- bis 70 – Mark.
1922 war wieder ein Jahr mit steigenden Preisen, denn die Inflation war in vollem Gange. Für ein Ei wurden nunmehr 3,- bis 4,- Mark gezahlt und das Pfund Butter mit 40,- bis 50,- Mark gehandelt. Ein Paar Schuhe kostete jetzt 400,- bis 500,- Mark, ein Hemd 100,- Mark, und für einen Anzug musste man 1000,-bis 1500,- Mark bezahlen. Wo sollte das noch hinführen?
Schenklengsfelder Sanitätssoldaten des 1. Weltkrieges von 1914 bis 1918 – Johannes Wolf links und Jakob Rehbein rechts im Bild.
Das Foto stammt aus dem Jahre 1915